Inhaltsübersicht
Einleitung
"Ihre 'Analysen' zur AfD" steht im Betreff der E-Mail, die ich nach einer Radiosendung über die Sprache der AfD im ARD Hauptstadtstudio erhalte. Aus der Andeutung einer gewissen Distanz zum Inhalt dieser Analysen, die der Autor durch die Anführungszeichen zum Ausdruck bringt, wird im Mailtext eine schmähende Anklage. Meine Forschung sei eine "linke Verunglimpfung" all jener Menschen, die "nicht hündisch vor dem Mainstream kuschen". Der Autor schreibt von "kruden Schlüssen" und "pseudowissenschaftlicher Hetze" und fragt anklagend, was ich mit meinen "höchstintelligenten 'Untersuchungen' und höchstwissenschaftlichem Geschwafel eigentlich den Normalbürgern und Steuerzahlern aus den Taschen und Geldbeuteln" ziehe, sprich, mir "an EUROS aneigne"! Er verabschiedet sich dann noch sarkastisch "Mit sozialistischem Gruß", nicht ohne vorher klarzustellen, dass er mit einer Antwort nicht rechne, da mir dafür wohl "die EIER" fehlten. Links, käuflich und entmannt, ein Mainstreamler, ein pseudwissenschaftlicher Schwafler, ja ein Hetzer war ich also - darunter machte es dieser Verteidiger der AfD in seinem Furor der Empörung nicht. Die Verachtung, die aus dieser Sprache spricht, prägt auch den Sound vieler Netzdebatten. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde öffentlich so viel geschmäht, geschimpft, beleidigt und gehetzt wie seit dem Erstarken der neuen Rechten. Und nie war es so einfach, als Chronist an den (digitalen) Stammtischen zu sitzen, dem sprachlichen Kesseltreiben gegen Minderheiten beizuwohnen und Zeuge verbaler Pogrome zu werden.
Parlamentarische Demokratie
Wie die BRD-Marionetten-Regierung, die BRD-Volkskammer und das Verfassungsabwicklungsgericht an der Abschaffung Deutschlands arbeiten
Die neue Rechte inszeniert sich als demokratische Alternative, die angetreten ist, dem vermeintlichen Volkswillen wieder Gehör zu verschaffen. Ein Blick in das umfangreiche Arsenal der Schimpfwörter, die sie für die demokratischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland geprägt hat, lässt jedoch Zweifel am demokratischen Charakter der Bewegung aufkommen. Das Kapitel zeigt, wie Neurechte in ihrer Sprache die Fundamente der Demokratie aushöhlen, indem sie das Parlament zur „Abnickerabgeordnetenkloake“, die Regierung zur „Marionetten-Regierung“ und die Gerichte zur „BRD-Unrechtsjustiz“ erklären. Auch der Souverän, der den Neurechten so sehr am Herzen liegt, wird kräftig als „Schlafschafvolk“ oder „Blindvolk“ beschimpft. Die Schmähausdrücke gegen die Demokratie verbinden sich zudem häufig mit Mythen von Verschwörung, Manipulation und Verblendung, denen aus neurechter Sicht mit den Mitteln der partizipativen Demokratie nicht begegnet werden kann. Die neue Rechte erweist sich damit eben nicht als demokratische, sondern als autoritäre Alternative.
Geographie
Deutschland liegt in Eurabien
Namen für Orte und Regionen ordnen unsere Welt. Sie benennen nicht nur, sondern kreiren Räume („Europa“, „Vorderer Orient“) und schreiben ihnen Bedeutungen zu („der Westen“, „Abendland“, „Achse des Bösen“). Neurechte nutzen eine Fülle abwertender Namen für Regionen, Länder und Städte, die ihre traditionelle Bedeutung überschreiben. Das Kapitel zeigt, wie geographische Schimpfnamen in rechten Debatten dazu benutzt werden, ein Schreckensbild der Gegenwart zu zeichnen („Messerstecherland“), eine dystopische Zukunft zu entwerfen („Multikulti-Schwarzburka-Buntland“) oder Verschwörungsmythen mit Hilfe von Ortsnamen anklingen zu lassen („Soros-Straße“, „Rothschild-Allee“). Ein besonderes Augenmerk gilt Schimpfnamen für Deutschland. Ihre große Zahl nämlich zeigt, dass die vermeintlichen Patrioten das gegenwärtige Deutschland in Wahrheit verachten. Die herabwürdigende Kraft der Schimpfnamen für Regionen, Länder und Orte speist sich aus rassistischen Vorurteilen gegenüber Teilen der Bevölkerung, wurzelt aber auch in einer Ablehnung demokratischer Eliten und Institutionen.
Wie Neurechte ihre Schimpfwörter machen 1
Schimpfwortbildung durch abgewandelte Schreibungen und Endungen
Das Kapitel gibt einen Einblick in Wortbildungstechniken, die Neurechte häufig einsetzen, um aus eigentlich harmlosen Wörtern herabwürdigende Ausdrücke zu machen.
Medien
Von Haltungsjournalisten und Feindmedien
Wie ist es möglich, dass trotz der desolaten, ja fatalen Lage, in der sich Deutschland aus neurechter Sicht befindet, das Volk nicht aufbegehrt und in Wahlen nur 13 Prozent der AfD ihre Stimme geben? Die Schuldigen sind schnell ausgemacht: Es sind Eliten, die vom Ausland gesteuert, die Bevölkerung manipulieren und in die Irre führen. Ein wichtiger Teil des Manipulations- und Verblendungszusammenhangs, der in neurechter Sicht das deutsche Volk in Ketten hält, ist die Presse. Anhand des großen Schimpfwortreichtums, mit dem Journalisten und Medien bedacht werden, zeigt das Kapitel, wie Kritik an der Presse dazu benutzt wird, Informationen, die nicht in das neurechte Weltbild passen, pauschal zu diskreditieren und die unabhängige Presse als Herrschaftsinstrument von Eliten zu denunzieren.
Wissenschaft
Mit Geschwätzologen in die Expertokratie
Ähnlich den Medien wird auch die Wissenschaft von Neurechten als unabhängige Quelle von Wissen zunehmend in Misskredit gebracht. Im Schimpfwortschaftz wird sichtbar, dass Neurechte Wissenschaft als politisch abhängig („Regierungswissenschaft“), käuflich („Schmiergeldwissenschaft“) und ideologiegeleitet („Gesinnungswissenschaft“) diffamieren. Das Kapitel zeigt zudem, dass von dieser Diskreditierung nicht nur die Geistes- und Sozialwissenschaften („Geschwätzswissenschaften“, „Sozio-Neuschwätzwissenschaften“) betroffen sind, sondern im Zuge der Debatte um Klimawandel und Pandemiebekämpfung zunehmend auch Naturwissenschaften („Klimapanikwissenschaft“) und Medizin („Quacksalberwissenschafts-Taschenspieler“) zu Handlangern einer vermeintlich korrupten politischen Klasse stilisiert werden.
Religion
Der Islam als Vorbild für die politische Religion der BRD
Religion ist für die Neue Rechte in doppelter Hinsicht ein zentraler Bezugspunkt: Zum einen sind antimuslimische Ressentiments ein wesentlicher Bestandteil ihres ideologischen Rüstzeugs. Zum anderen bezeichnen Neurechte die politischen Ansichten ihrer Gegner oft als religiöse Glaubenssätze, um sie als irrational und das Ergebnis von obrigkeitlicher Indoktrinierung zu denunzieren. Glauben wird so zu einer Metapher für all jene Überzeugungen, die nicht in das Weltbild der neuen Rechten passen. Anhand der Schimpfwörter mit Religionsbezug arbeitet das Kapitel jene Politikfelder heraus, auf denen wegen der Verblendung der politischen Gegner nach Ansicht der neuen Rechten keine rationale politische Auseinandersetzung geführt werden kann. Diese reichen von der Asylpolitik („Anbetung des höchsten Flüchtilantenwesens“) über den Umweltschutz („Klimakirche“) bis hin zu gesellschaftspolitischen Themen wie Geschichtspolitik („Selbsthass- und Schuldkult“), Geschlechterpolitik („Transgender-Heilige“) und Sprachsensibilität („Political-Correctness-Hohepriester“).
Die neue Rechte diagnostiziert
Von Gutmenschenpest, Selbstabschaffungsviren und Multikultikrebsgeschwüren
Wie Religion so ist auch Krankheit ein wichtiges Feld, aus dem sich der Schimpfwortschatz der neuen Rechten speist. Gesellschaftliche Entwicklungen und politische Ansichten, die nicht zu neurechten Vorstellungen von Normalität passen, werden regelmäßig als Krankheiten diffamiert. Kritik an der binären Geschlechterordnung, Feminismus, Klimaprotest, Engagment für Integration und Inklusion sind damit nicht Ergebnisse rationaler zivilgesellschaftlicher Debatten, sondern verdanken sich der Irrationalität ungesteuerter Übertragungen. Auch ideologische Infektionen sind schädlich und gefährlich. Sie müssen behandelt und eingedämmt werden. Das Kapitel macht Schimpfwörter aus dem Wortfeld Krankkheit als Verweis auf solche Personengruppen („Gutmenschenseuche“, „Pestgrüne“) und Weltanschauungen („68er-Virus“, „Gender-Herpes“) lesbar, die aus Sicht der neuen Rechten bekämpft werden müssen. Im krankheitsbezogenen Schimpfwortschatz wird zudem die Nähe zur Sprache des historischen Nationalsozialismus sichtbar („Muselmanenkrebsgeschwür“), von dem sich die Neurechten vorgeblich distanzieren.
Der gesunde Menschenverstand
„1 + 1 = 2 = Nazi“ und andere Gleichungen, die nicht aufgehen
Wenn alle Autoritäten als befangen, unredlich und fremdgesteuert entlarvt sind, bleibt nur noch der gesunde Menschenverstand als Quelle der Erkenntnis. Angesichts der zahlreichen ideologischen Krankheiten, die Neurechte ihren politischen Gegnern attestieren, sehen sie sich selbst – und nur sich selbst – im Besitz dieses vermeintlich gesunden Menschenverstandes. Dass der Gebrauch des gesunden Menschenverstandes und das Aussprechen vermeintlich einfacher (zumeist rassistischer) Wahrheiten von ihren politischen Gegnern kritisiert wird, ist Neurechten ein Beleg dafür, dass ideologische Weltsichten den Blick auf die Wahrheit verstellen. Seinen sinnhaften Ausdruck findet diese Berufung auf den „gesunden Menschenverstand“ in pseudo-mathematischen Gleichungen, die teilweise die eigene Opferrolle thematisieren („1 + 1 = 2 = Nazi“, „Islamkritik = Islamhasser = Ausländerfeind = Nazi“), größtenteils aber zynische („Analphabet – Ausbildung = Fachkraft“) oder herbwürdigende („Mann + Messer = Migrationsvordergrund“) Vorurteile gegenüber Migranten oder politischen Gegnern („Links + Finanzkapital = Multikuliti + Globalisierung“) zum Ausdruck bringen. Das Kapitel zeigt anhand einer Zusammenstellung von pseudo-mathematischen Gleichungen, die sich in Foren und Kommentarspalten großer Beliebtheit erfreuen, wie Neurechte ihre rassistische und verschwörungsmythologisch grundierte Weltsicht als evidenzbasiert und vernunftgeleitet kaschieren.
Wie Neurechte ihre Schimpfwörter machen 2
Verfremdung, Kontamination, Komposition
In diesem Kapitel wird gezeigt, wie Neurechte ihre herabwürdigenden Wortkompositionen zusammensetzen und ganze Wortfamilien negativ umsemantisieren, um gesellschaftliche Deutungshoheit zu erlangen.
Wirtschaft
Zur Ökonomie von Sarkasmus, Ironie und Zynismus
Aus Sicht der neuen Rechten liegt Deutschland am Boden, weil die einst stolze Industrienation von politischen Eliten und raffigierigen Managern heruntergewirtschaft und durch den Import ausländischer Arbeitskräfte deutsche Arbeitsmoral und Qualitätsstandards verloren gegangen sind. Am Beispiel von Schimpfvokabeln, die den Bereichen Wirtschaft und Arbeit entlehnt sind, zeigt das Kapitel, wie Zynismus und Sarkasmus von Neurechten dazu benutzt werden, Deutungsrahmen in öffentlichen Debatten zu platzieren. Ganz gleich nämlich, ob auf Seiten der Geflüchteten („Analphabeten-Import“, „Messerfacharbeiter“, „Goldstücke“) oder auf Seiten der deutschen Mehrheitsgesellschaft („Asylindustrielle“, „Asyl-Branche“, „NGO-Menschenhandels-Unternehmen“), immer insinuiert das herabwürdigende Vokabular eine Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Aufnahme Schutzsuchender, die die humanitäre Dimension unsichtbar machen.
Familie
Mit Bevölkerungspolitik gegen den Geburtendschihad: Wie Islamisierungsgebärapparate und Pseudoregenbogenfamilienkonstrukte die deutsche Familie bedrohen
Das Phantasma des „großen Austauschs“ ist für die neuen Rechten von so zentraler Bedeutung, dass es auf ihre familien- und geschlechterpolitischen Vorstellungen durchschlägt. Wie das herabwürdigende Vokabular mit Familienbezug zeigt, misst sich für Neurechte der Erfolg von Familienpolitik an der Steigerung der Reproduktionszahlen deutscher Frauen („Geburtenverweigerer“) und der Reduzierung von Geburten von Zugewanderten und Musliminnen („Geburtenbomben“). Dabei sehen Neurechte einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen „Geburtenethnozid“ und dem gesellschaftlichen Wirken von Feministinnen („Femanzenweiber“), der Auflösung der binären Geschlechterordnung („Transgender-Intersexuellen-Verschwulung“) und der Ehe für Homosexuelle („KiFi-Ehe-für-Alle“).
Schule und Erziehung
Integrationsunwillige Problemkinder im Umerziehungsgulag
Für die neuen Rechten ist die Erlangung kultureller Hegemonie eine wichtige Vorbedingung für die Übernahme politischer Macht. Deshalb werden jene Institutionen, in denen junge Menschen sozialisiert werden, besonders häufig Ziel verbaler Attacken: Kindertagesstätten („Multi-Kulti-Kita“), Schulen („Indoktrinationsbrutstätten“) und Universitäten („Fördertröge für linksgrün-versifften Zeitgeist“). Das Kapitel legt anhand des bildungsbezogenen Schimpfwortschatzes frei, welche Bereiche der Alltagskultur und welche bundesrepublikanischen Werte den neuen Rechten ein besonderer Dorn im Auge sind und mittels welcher alternativer Werte sie die kulturelle Hegemonie zu erreichen suchen.
Freund und Feind
Schimpfwörter für Politiker, Journalisten und andere Deutschlandabschaffer
Nach Auffassung der neuen Rechten ist das Wesen des Politischen die Unterscheidung in Freund und Feind. Der Feind ist die Negation der eigenen Art von Existenz und muss bekämpft werden. Für Neurechte steht außer Frage, dass es in der gegenwärtigen Politik um die Existenz Deutschlands und des deutschen Volkes geht. In dieser Übersteigerung werden politische Konkurrenten folglich zu Feinden, zu einem existenziell zu negierenden Fremden. Wie stark die Ablehnung ist, zeigt sich in Schimpfnamen für einzelne Politiker, Journalisten und andere Personen des öffentlichen Lebens. Die mehr als 1000 Schimpfnamen für Angela Merkel verweisen darauf, dass es in neurechten Kreisen für die Bundeskanzlerin fast ein Namentabu wie für den Teufel als Verkörperung des absolut Bösen gibt. Das Kapitel legt dar, wie Schimpfnamen dazu benutzt werden, politische Gegner zu absoluten Feinden zu stilisieren und ihnen Menschenwürde und Existenzberechtigung abzusprechen. Am Beispiel von Claudia Roth, Sawsan Chebli, Heiko Maas, Cem Özdemir, Oliver Welke, Dunya Hayali, Marietta Slomka, Markus Lanz und anderen wird gezeigt, welche Strategien der Feindsetzung Neurechte anwenden.
Fazit
Das gemeinsame Herabwürdigen, Schimpfen und Schmähen ist konstitutiv für die neue Rechte als politischer Bewegung. Nur in der Feindsetzung und der Verachtung des Bestehenden sind sich die ideologisch heterogene Strömungen einig. Die Schmähungen sind zudem Teil eines Resonanzkalküls, in dem jeder Widerspruch und jede Empörung die Feindsetzungen verstärken und die Grenzen des Sagbaren verschieben soll.